Let’s run the world!

Es kann sehr schnell gehen – nur weil es das Schicksal so bestimmt – und das Leben ist plötzlich ein gänzlich anderes. Heißt dann die Diagnose Querschnittlähmung, gilt wohl zuallererst mit dieser alles verändernden Lebenssituation fertig zu werden und mit viel mentaler Stärke und noch mehr Ausdauer das Leben neu zu leben. Denn heilbar ist diese Krankheit bis heute nicht, auch wenn Forschung und Medizin durchaus Hoffnung machende Fortschritte machen. Bis sich aber der Traum vom wieder selbstbestimmt gehen können für querschnittgelähmte Menschen erfüllt, laufen jährlich weltweit Millionen Menschen für alle jene, die das eben nicht (mehr) können. Auch ich war heuer einer von weltweit gesamt 206.728 Läufer:innen, der am Wings for Life World Run in Wien teilnahm und dessen kompletter Erlös seit nunmehr schon zehn Jahren der Rückenmarksforschung zugute kommt.

Ich laufe ja nicht erst seit gestern, vielmehr schon seit vielen Jahren und fast täglich und seien es nur ein paar lockere Kilometer am Laufband. Meist aber ist es doch eine respektable Strecke, die ich, um den Kopf nach einem anstrengenden Arbeitstag freizubekommen und um meine Muskulatur für das wöchentlichen Donnerstags-Kickerl fit und beweglich zu halten, gerne im Grünen trabend zurücklege.
Als der blöde Corona-Wicht uns bekanntlich mehr oder weniger zum „Nichtstun können“ verpflichtete, hab ich diese Zwangspause nicht nur meiner Österreich-Initiative „Nothing Like Austria“ und dem Dreh des gleichnamigen Kurzfilms gewidmet, sondern ich bin mit rd. gelaufenen 600 Kilometern rund um den Golfplatz von Brunn am Gebirge auch symbolisch quer durch Österreich gejoggt.

An wirklich große Distanzen wie Halbmarathon oder gar die Königsklasse Marathon hab ich mich bis dato noch nicht herangewagt, meine erste Teilnahme am diesjährigen Wings for Life World Run hat mich aber „Blut“ lecken lassen. Denn mit meinen für den guten Zweck gesamt gelaufenen Kilometern quer durch Wien – erst nach 27,61 Kilometern überholte mich das Catcher Car nach der Reichsbrücke an der Alten Donau – habe ich nicht nur meine persönliche Zielsetzung für diesen Run, sondern eben auch meinen ersten Halbmarathon bereits um mehr als sechs Kilometer getoppt. Logisch, dass es jetzt ein Marathon sein muss. Die fehlenden läppischen 14,585 Kilometer auf die volle Distanz laufe ich – beflügelt wie ich gerade bin – auf einer Sohle ab. Na schau ma mal, dann seh ma schon, was meine Wadeln bis zum nächsten Vienna City Marathon am 21. April 2024 von dieser Idee halten. Weil einen Marathon läuft man für sich alleine, und da spielt der Kopf mindestens eine ebenso wichtige Rolle, wie flotte Beine …

Pure Emotionen

Der Wings for Life World Run hingegen ist etwas gänzlich anderes, weil man eben nicht (nur) für sich selbst läuft, sondern für all jene, die das nicht mehr können. Weil sie aufgrund von Unfall oder Krankheit querschnittgelähmt sind und ihr Leben mehrheitlich im Rollstuhl bewerkstelligen müssen. So wie Thomas Geierspichler, Europameister, vielfacher Weltrekordhalter und Weltmeister und Paralympicssieger und ein ganz besonderer Mensch. Ihm spuckte das Schicksal am 4. April 1994 in die „Lebenssuppe“, ein Autounfall endete für den damals 18-jährigen mit der Diagnose Querschnittlähmung im Rollstuhl. Der Weg hin zu seinem „anderen“ Leben, das durch tiefe Täler hinauf in lichte Höhen führte, ist beispielhaft und beweist: Nur weil man zwei gesunde Beine hat, „fährt“ man noch lange nicht auf der richtigen Spur.

Für mich ist Thomas nicht nur „Nothing Like Austria“ Mitglieder der ersten Stunde, sondern längst ein lieber Freund und großes Vorbild in allen Lebenslagen geworden. Er ist für mich das lebendige Beispiel, dass man mit mentaler Kraft und Motivation selbst die größten Hürden überwinden kann. Auch mit und im Rollstuhl.

Mit seinem Rennrollstuhl nahm Thomas neben Motocrossler Matthias Walkner, dem fünffachen Ironman-Sieger Stefan Holzner und Peter Hochkofler sowie Lukas Schreier vom EC Red Bull Salzburg gemeinsam mit mehr als 500 Läufern und Rollstuhlfahrern am Wings vor Life World Run in Salzburg teil und „rollte“ für die gute Sache. Genau wie Marcel Hirscher, der in Nordholland unterwegs war oder Stefan Kraft, der, weil gerade in Australien, mitten in der Nacht und bei strömendem Regen lief.

Denn egal wo die gesamt 206.728 Läufer:innen – übrigens Teilnehmerrekord – aus 192 Nationen in 158 Ländern am 6. Mai an den Start gingen, das Go erfolgt weltweit zur selben Zeit um 11:00 Uhr UTC. Hingegen ist das Ende bzw. der Zieleinlauf ein völlig individueller. Im „Ziel“ ist, wer vom Catcher Car, das eine halbe Stunde nach dem Start die Verfolgung der Läufer:innen aufnimmt, überholt wird. Bei mir war’s wie bereits erwähnt bei Kilometer 27,61 so weit, womit ich im local Ranking auf Platz 543 – von 52.303 österreichischen Teilnehmern – und weltweit auf Platz 3.772 landete. Das macht mich schon ein bisserl stolz oder um es mit den Worten von Lukas Müller zu sagen:

„Der Wings for Life World Run hat mir die Energie gegeben, über mich hinauszugehen.“

Dieser Satz hat für den ehemaligen Skispringer, der seit 2016 inkomplett querschnittgelähmt ist, eine unschätzbare Bedeutung. Denn kurz vor dem Start beim Wiener Rathaus stand Lukas aus seinem Rollstuhl auf, um laufend am Wings for Life Run teilzunehmen. Nach sensationellen 2,35 zurückgelegten Kilometern holte ihn das Catcher Car mit Olympiasiegerin Anna Gasser am Steuer ein. Ein Moment, der an Emotionalität nicht zu überbieten war und die hohe Bedeutung und Notwendigkeit des Wings for World Life Run nicht schöner deutlich machen kann. „Ich wollte der Welt zeigen, was alles möglich und warum es so wichtig ist, dass es Wings for Life und den Wings for Life World Run gibt.“

Gewonnen hat übrigens erneut der Japaner Jo Fukuda mit 69 gelaufenen Kilometern, bei den Frauen wurde die Polin Kasia Szkoda mit 55 Kilometern zur Siegerin des Wings vor World Life Run 2023 gekürt.

Im nächsten Jahr findet der Wings for Life World Run am 5. Mai 2024 statt, in meinem Kalender ist dieses Datum bereits rot markiert. Damit zu den seit 2014 gesammelten rd. 44 Mio. Euro noch ein paar mehr dazu kommen und das Wort unheilbar bei Rückenmarksverletzungen bald durch HEILBAR ersetzt werden kann.

Buchtipp:

„Mit Rückgrat zurück ins Leben“ von Thomas Geierspichler, ISBN: 978-3-902924-58-2, erzählt die Geschichte vom „Sieg über sich selbst“ und wie man über sich hinauswachsen und mit mentaler Kraft seine Visionen verwirklichen kann.
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