Wenn Bilder das Herz berühren

Bilder haben ihre eigene Sprache und finden, egal wie kompliziert eine Situation gerade ist, immer die richtigen Worte. Klingt komisch, ist aber so, denn ein Foto begeistert, berührt und weckt selbst dann noch Erinnerungen und Emotionen, wenn sich längst der Schleier der Vergangenheit über das Motiv gebreitet hat. Ein Flohmarktbesuch entführte mich kürzlich ins analoge Zeitalter der Fotografie …

Ob es dereinst Helmut Gernsheim auch so ergangen ist wie mir, der ich mich gerade durch meinen kürzlich am Flohmarkt erworbenen (Foto)Schatz wühle und mir dabei zugegeben auch ein wenig voyeuristisch vorkommen. Denn in diesem alten, abgegriffenen Schuhkarton, in den ich im Zuge des Kaufs nur einen kurzen Blick warf, befinden sich nämlich noch viel ältere und teils schon ziemlich vergilbte Fotografien mir fremder Menschen, die nicht nur mein digitales Fotoherz tief berühren, sondern mich auf eine Reise in längst vergangene Zeiten mitnehmen.

Diese Schwarzweiß-Aufnahmen in so seltsamen Formaten wie 5×7 oder 10,5×7,5 und allesamt mit weißem schmalem teils ausgefranstem Rande umfasst sind Zeitzeugen dunklerer Tage. Die den Menschen zumindest zum Zeitpunkt der jeweiligen Aufnahmen dennoch glückliche Moment bescherten. Zumindest denke ich das, wenn ich auf jenes Bild blicke, auf dem sich ein Mann zärtlich an seine Liebste schmiegt, bevor er wohl wieder dorthin aufbrechen musste, wohin er gar nicht wollte und dieses unscharfe und schon ziemlich verschlissene kleine Bild über Monate dann wohl die einzige Verbindung an zu Hause war. Wohin dieser schlaksige Typ mit seinen Brillantin gegelten Haaren gottlob auch wieder zurückkehrte, wie viele weitere Bilder zeigen. Im Format und im Motiv bereits größer und fröhlicher, spiegeln viele Fotos dann den Weg in eine neue, gesellschaftlich ruhigere und modernere Zeit wider. Und auch wenn ich diese Menschen auf diesen alten Papierfotografien nicht kenne, empfinde ich dennoch ein Gefühl der Verbundenheit. Genau das ist auch, was gute Fotografie – egal ob analog oder digital – schafft: Sie rührt und berührt, sie spricht, erzählt und erzeugt ein Miteinander.

Wenn das Sammlerherz in die Hose rutscht

Nur, was der eingangs erwähnte Helmut Gernsheim mit meinem sentimentalen Flohmarktbesuch und dieser alten Schuhschachtel voller Erinnerungen zu tun, wirst Du jetzt vielleicht noch fragen. Das ist glaub ich einfach erklärt. Der gute Gernsheim war nämlich Fotograf und Fotohistoriker und zudem das, was man heute als Freak bezeichnen würde. Er trug nämlich Zeit seines Lebens tausende Bilder und fotografische Gerätschaften zusammen und machte 1952 die Entdeckung schlechthin, als er mit dem „Blick aus dem Arbeitszimmer“ die älteste erhaltene Fotografie der Welt aufstöberte. Das muss schon ein Gänsehaut-Moment gewesen sein!

1826 von Joseph Nicéphore Nièpce mit Hilfe einer Camera obscura erstellt, zeigt das im französischen Saint-Loup-de-Varennes aufgenommen Bild eben den Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras. Das Motiv, heute eigentlich nur noch schemenhaft zu erkennen, wurde auf eine Naturasphalt-bestrichene Zinnplatte im Format 20×25 aufgebracht und nach acht Stunden Belichtungszeit mittels einer Mischung aus Lavendelöl und Petroleum fixiert. Als Gernsheim also das Bild 1952 wiederentdeckte, wird ihm wohl sein Sammlerherz tief in die Hose gerutscht sein. Schließlich findet man derartige Raritäten auch nicht alle Tage.

Vom allersten Foto bis zur wirklichen Geburtsstunde der Fotografie sollte es dann doch noch 13 Jahre, bis zum 19. August 1839, dauern. Da wurde nämlich in der Pariser Akademie der Künste die Camera Obscura offiziell vorgestellt, womit auch die Sprache der Fotografie ihren Anfang nahm.

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Wichtige Information:
Der Flohmarkt 11 am Parkplatz des Shoppingcenters HUMA ELEVEN ist eine Fundgrube für Altes, Gebrauchtes und die eine oder andere Rarität. Ganzjährig, jeden Sonntag und bei jedem Wetter.
www.flohmarkt11.at